Warum ich Mitglied bei den Freidenkern bin und mich als Ritualbegleiterin ausbilden liess
- Lina spricht

- 16. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. März

Ich bin in der ehemaligen DDR geboren und kam noch vor dem Mauerfall nach Westdeutschland. Wahrscheinlich wurde ich schon durch meine Eltern stark atheistisch geprägt und gleichzeitig für humanistische Themen sensibilisiert.
Freidenken bedeutet für mich, ohne religiöse Dogmen, ohne Vorurteile und mit viel Offenheit und Toleranz auf Menschen und das Leben zuzugehen. Gleichzeitig ist mir Wissenschaftlichkeit sehr wichtig.
Die Freidenker haben mich sowohl inhaltlich als auch persönlich angesprochen. Einerseits finde ich die Themen, für die sie sich einsetzen, spannend, andererseits sucht vermutlich jeder von uns ein ideologisches Zuhause. Besonders wichtig sind mir ihre Werte: eine an der Wissenschaft orientierte Weltanschauung und eine dogmenfreie Ethik. Ich stehe für die Trennung von Staat und Kirche, für Gleichberechtigung aller weltanschaulichen Gruppierungen und für deren Unabhängigkeit vom Staat.
Als ich in einem Magazin der Freidenker von der Ausbildung zur Ritualbegleiterin las, wusste ich sofort, dass das der richtige Weg für mich ist. Ich wollte eine Ausbildung, die frei von Religion und Dogmen ist.
Meine eigene standesamtliche Hochzeit war leider sehr nüchtern und unpersönlich. Hätte ich damals gewusst, dass es die Möglichkeit einer freien Trauung gibt, hätte ich mich sicher dafür entschieden. Ebenso wurde ich bei der Geburt meiner Tochter gefragt, ob wir sie taufen lassen. Das kam für mich nicht in Frage, aber es fühlte sich schade an, dass die Ankunft dieses wundervollen Menschleins gar nicht gefeiert wurde. Hätte ich damals von konfessionslosen Willkommensfeiern gewusst, hätte ich das getan.
Der Begriff "Ritual" klingt für viele zunächst esoterisch, fast so, als müsste man Salbei räuchernd nackt im Mondlicht tanzen. Doch Rituale begegnen uns täglich und können eine tiefe Bedeutung haben, ohne religiös zu sein. Ob der erste Espresso am Morgen, gemeinsames Kochen oder der Spaziergang mit dem Hund nach der Arbeit – Rituale geben Halt und strukturieren das Leben. Zu starr dürfen sie nicht sein, aber sie schaffen Verbindlichkeit und Momente der Achtsamkeit.
Immer mehr Menschen in der Schweiz sind konfessionslos. Viele von ihnen heiraten nur standesamtlich und sind dann enttäuscht, weil die Zeremonie nicht den feierlichen Rahmen hat, den sie sich gewünscht haben. Gleiches gilt für Abschiede: Eine Trauerfeier, die nicht das Leben nach dem Tod als Trost verspricht, sondern echte tröstende Worte bietet, kann oft viel mehr bewirken als eine standardisierte religiöse Zeremonie.
Als Ritualbegleiterin arbeite ich vollkommen individuell. Ich folge keinen Dogmen und meine Zeremonien sind persönlich auf die Menschen zugeschnitten. Jede Rede, jede Feier ist einzigartig. Es gibt keinen starren Ablauf – im Mittelpunkt stehen die Wünsche derjenigen, für die ich die Zeremonie gestalte. Ich höre zu, spüre heraus, was ihnen wichtig ist, und helfe dabei, die passende Form zu finden. Manchmal bedeutet das auch, einen Schritt zurückzutreten und genau hinzuhören, anstatt eigene Vorstellungen aufzudrängen.
Ich habe bereits in meiner beruflichen Tätigkeit oft vor mehr als 100 Personen gesprochen und gemerkt, dass ich es geniesse, über eine Rede mit Menschen in Kontakt zu treten. Sie emotional abzuholen, zum Schmunzeln zu bringen oder zum Nachdenken – das ist es, was für mich zählt.
Freie Zeremonien können genauso tiefgründig und verbindend sein wie religiöse Feiern – manchmal sogar noch mehr. Ein persönliches Eheversprechen, eine Trauerrede, die wirklich Trost spendet, oder eine Willkommensfeier für ein Neugeborenes – all das sind kraftvolle Momente. Es braucht keine Religion, um bedeutungsvolle Rituale zu gestalten. Deshalb möchte ich Menschen ermutigen: Traut euch, eigene Wege zu gehen! Stellt eure Bedürfnisse und Wünsche in den Mittelpunkt – es ist erstaunlich, welche Möglichkeiten sich dann eröffnen.




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