Wie viel Individualität verträgt eine Zeremonie?
- Lina spricht

- 1. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Individualität – ein grosses Wort. Und trotzdem genau das, was eine freie Zeremonie ausmacht.Natürlich gibt es Elemente, die sich wiederholen. Ein Einzug, ein Ringtausch, vielleicht ein Symbolritual. Aber was eine freie Rede lebendig macht, sind nicht die Abläufe. Es sind die Gespräche davor. Die Stunden, in denen ich mit Paaren zusammensitze, lache, nachhake, schweige – und langsam spüre, wer sie wirklich sind.
Das Schönste ist dann, wenn nach der Zeremonie jemand zu mir sagt: „Du kennst die beiden aber schon lange, oder?“ Genau dann weiss ich, dass es gelungen ist.
Persönliche Ideen statt 08/15
Klar, es gibt Wünsche, die tauchen immer wieder auf. Mich hat ein wenig überrascht, wie oft Katzen in der Rede erwähnt werden sollten. Aber auch wenn es schon das dritte Paar in Folge ist – jedes Mal erzähle ich eine andere Geschichte. Weil es nie einfach eine Katze ist. Es ist ihre Katze. Ihre Eigenart. Ihr Teil der Familie.
Individualität bedeutet für mich nicht: „Alles geht“. Sondern: „Alles, was euch entspricht.“
Der Blick nach vorn
Meine Reden sind auf das Positive gerichtet. Ich rechne nicht mit Menschen ab. Wenn es in der Vergangenheit Spannungen gab, dann schauen wir nach vorne.
Ein Beispiel: Bei einer LGBTQ+-Hochzeit erschien ein Elternteil nicht – aus mangelnder Toleranz. Schmerzhaft? Ja. Aber der richtige Moment für Vorwürfe? Nein. In der Zeremonie geht es um das, was trägt. Um Liebe, um Hoffnung, um Zusammenhalt. Das ist mir wichtig.
Gäste verstehen mehr, als man denkt
Die Zeremonie ist für das Paar und ihre Wünsche stehen im Vordergrund. Aber: Ich habe noch nie erlebt, dass Wünsche so ungewöhnlich waren, dass Gäste nicht mitgegangen wären. Familie und Freunde kennen die Eigenheiten ja sowieso.
Manchmal bringe ich aber meine Erfahrung ein, wenn es um ganz praktische Fragen geht. Zum Beispiel bei einer Hochzeit im Spätherbst, die ausschliesslich draussen geplant war. Romantisch gedacht, aber wir haben gemeinsam überlegt, wie es sich für Gäste und Brautpaar auch bei Kälte oder Regen noch stimmig anfühlen könnte. Manchmal nehmen Ideen auch neue Formen an, wenn man sie mit anderen bespricht und sie werden selten schlechter.
Tradition haben ihren Platz
Eine freie Zeremonie bedeutet nicht, dass Traditionen wegfallen müssen. Im Gegenteil – sie können Halt geben und verbinden.Ob die Braut vom Vater hereingeführt wird oder die klassische „Ich will“-Frage gestellt wird: Entscheidend ist, dass es sich für das Paar gut und stimmig anfühlt. Wie ich selbst zu den Traditionen stehe ist dabei nebensächlich, solang es keinen religiösen Bezug hat.
Gerade ältere Gäste sind oft überrascht, wie tief, berührend und festlich eine freie Zeremonie sein kann. „Ach, hätte es so etwas doch schon zu meiner Zeit gegeben!“ – das sind Worte, die mir lange im Herzen bleiben.
Individualität bleibt im Herzen
Mein Tipp an alle, die eine Zeremonie planen: Schreibt alles auf, auch verrückte Ideen. Oft entstehen daraus die schönsten Momente. Wie bei einer Hochzeit, bei der die Braut ein JA von allen Gästen wollte. Der Bräutigam war anfangs skeptisch – und am Ende war es einer der bewegendsten Augenblicke der ganzen Feier.
Individualität bedeutet Mut. Aber auch, dass ein Moment unverwechselbar wird. Und genau das bleibt – lange nachdem die Musik verklungen ist.




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